Wahlprüfsteine: Antwort von B.90/Die Grünen

unveränderte Antwort der Partei B.90/Die Grünen:

Aufklärung

1. Wie wichtig erachten Sie die Sexualaufklärung an Schulen, die sich
ausführlich mit Toleranz gegenüber jedweder sexueller Orientierung, mit
Coming Out und mit Mobbing gegenüber Jugendlichen beschäftigt?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN finden es sehr wichtig, dass Werte wie Toleranz, Offenheit, gegenseitiger Respekt schon in der Schule vermittelt werden. Wir setzen uns sowohl im Bundestag als auch in den Ländern dafür ein, dass Lehrpläne in den Schulen um Themen wie die Vielfalt sexueller Identitäten und Lebensweisen, die Geschichte Homosexueller in Deutschland und Menschenrechtsbildung auch in Bezug auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intersexuelle Menschen erweitert werden, sowie Kenntnisse für ein Demokratieverständnis vermittelt werden, das Kinder und Jugendliche selbstbewusst und frei von homophoben Einstellungen handeln lässt.

Sowohl in Unterrichtsinhalten als auch im Schulalltag muss deutlich werden: Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intersexuelle Menschen sind Teil der gesellschaftlichen Vielfalt, sie sind gleichwertig und gleichberechtigt. Pädagoginnen und Pädagogen und alle, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, müssen in der Ausbildung wie durch Fortbildungsangebote befähigt werden, diese Botschaft zu vermitteln. Themen Themen wie Diversity, Antidiskriminierung, Homophobie, Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Identitäten und Lebensweisen müssen verbindlich in die Aus- und Fortbildung von PädagogInnen, (Schul-)psychologInnen und SozialarbeiterInnen, ErzieherInnen sowie von in Jugendarbeit und Jugendhilfe Beschäftigten integriert werden.

finanzielle Ausstattung

2. Wie wichtig ist Ihnen eine bessere finanzielle Ausstattung der
Bundeszentrale füir gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und in diesem
Zusammenhang der Deutschen Aidshilfe (DAH)?

Die Steigerungen der Ansätze im Bundeshaushalt für die Aidsprävention in den letzten Jahren sind direkt oder indirekt auf uns Grüne zurückzuführen. Dieser Stand (13 Mio. €, davon 5 Mio. € an die Aidshilfe), muss gehalten werden. Wir setzen uns dafür ein, dass die Gelder für Prävention stärker auf die hauptsächlich betroffenen Gruppen – Männer, die Sex mit Männern haben, MigrantInnen und Inhaftierte – konzentriert werden. Dies hätte eine Umschichtung hin zu Projekten und Aktionen der Aidshilfe zur Konsequenz.

HIV

3. Welche weiterführenden Schritte unternehmen Sie, um die
Neuinfektionsraten mit HIV bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), zu senken?

Wir Grünen machen uns stark für eine zielgruppenspezifische Aidsprävention, die kein Blatt vor dem Mund nimmt. Daher üben wir massive Kritik an der Bundesregierung wenn sie – wie uns berichtet wird – mit als Zensur empfundenen Maßnahmen zielgruppenspezifische Präventionsbotschaften im Internet verhindert oder abändert. Dies ist kontraproduktiv und verhindert wirkungsvolle Botschaften.

Wir setzen auf Aufklärung und Freiwilligkeit und finden es kontraproduktiv, mit dem Strafrecht zu drohen. Der Aids-Aktionsplan der Bundesregierung will das Strafrecht bei der fahrlässigen Verbreitung einer sexuell übertragbaren Krankheit verschärfen und atmet damit den Geist von Zwang, Kontrolle und Repression. Wir hatten gehofft, so einen Umgang mit dem Thema HIV/Aids seit Jahren hinter uns gelassen zu haben. Dessen Wirkungslosigkeit kann man in Österreich und der Schweiz beobachten, die 2005 etwa zwei- bzw. dreimal so viele Neuansteckungen pro 1 Million EinwohnerInnen wie Deutschland zu verzeichnen hatten.

kostenlose Kondomabgabe

4. Was halten Sie von einer kostenlosen Kondomabgabe an männliche
Jugendliche unter 18 Jahren?

Statt einer flächendeckenden Abgabe von Kondomen (eine Altersgrenze lässt sich da kaum kontrollieren oder würde umgangen) scheint uns Grünen auch hier ein zielgruppenspezifisches Vorgehen sinnvoll. So begrüßen wir die Selbstverpflichtung von Wirten, z.B. in Berlin mit der Initiative safety4free, Kondome, Gleitmittel und ggf. Latexhandschuhe in angemessener Menge kostenlos abzugeben. Diese Aktion sollte weitere Kreise ziehen und auch an Treffs von schwulen Jugendlichen kostenlose Kondome zur Verfügung stellen.

Antidiskriminierungsgesetz

5. Was unternehmen Sie, um die Durchsetzung des
Antidiskriminierungsgesetzes auch an Schulen im Bundesgebiet zu verankern?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für eine Politik der Vielfalt und für klare Kante gegen Diskriminierung, selbstverständlich auch an Schulen. Es ist ein Kernanliegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, jede Art von Diskriminierung zu bekämpfen, einschließlich der Diskriminierung aufgrund sexueller Identität. Wir wollen ein diskriminierungsfreies Deutschland – im beruflichen Leben wie in allen gesellschaftlichen Bereichen.
An Schulen kommt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) immer dann zur Anwendung, wenn Beschäftigte wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität diskriminiert werden. Zu Lerninhalten sowie zu einem diskriminierungsfreien Umgang mit Schülerinnen und Schülern in öffentlichen Schulen sagt das AGG nichts aus, da die Schulgesetzgebung allein in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer fällt.
Auch die bisherigen europäischen Richtlinien gegen Diskriminierung, auf denen das AGG beruht, sehen für den Bereich der Bildung noch keinen Schutz vor Diskriminierung wegen der sexuellen Identität vor. Das wollen wir aber ändern. Ein neuer Richtlinien-Entwurf der Europäischen Kommission sieht vor, den Diskriminierungsschutz für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender unter anderem auch auf den Bereich Bildung auszudehnen. Wir Grünen haben das im Europäischen Parlament wie im Bundestag vehement eingefordert und unterstützen diesen Verstoß. Leider ist aber auf europäischer Ebene die schwarz-rote Bundesregierung einer der Hauptbremser. Diese Haltung wollen wir aufbrechen. Wir treten dafür ein, dass die nächste Bundesregierung die neue Antidiskriminierungsrichtlinie aktiv unterstützt und auf eine schnelle Verabschiedung drängt.

Suizidgefahr

6. Wie kann man Ihrer Meinung nach, eine erhöhte Suizidgefahr bei jungen
schwulen Männern absenken?

Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zur Jugendpolitik eingeräumt, dass lesbische und schwule Jugendliche in besonderer Weise gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt sind und ihr Suizidrisiko viermal höher liegt als bei Jugendlichen mit heterosexueller Orientierung. Trotzdem weigert sich die Regierung jedoch, endlich den Bundestagsbeschluss umzusetzen, eine Bestandsaufnahme zur Lebenssituation schwuler und lesbischer Jugendlicher durchzuführen. Wir bestehen darauf, dass jeder junge Mensch auch im außerschulischen Bereich ein Recht auf individuelle Förderung seiner Entwicklung hat. Die Bundesregierung und das zuständige Ministerium müssen durch gezielte Forschung und geeignete Programme und Beratungsangebote zur Verbesserung der Lebenssituation aller Jugendlichen beitragen.  So gilt es z. B. auch seitens des Bundes seiner Anregungsfunktion bei der Verbreitung bewährter Präventionsansätze gerecht zu werden und offensiv für die Belange junger Menschen einzutreten  Vor Ort und in den Schulenmüssen die Antidiskriminierungsarbeit gestärkt und spezifische Angebote der Jugendhilfe – auch und gerade für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- oder intersexuelle Jugendliche – ausgebaut werden (s. Antwort auf Frage 10).

Essstörungen

7. Was gedenken Sie, in Bezug auf Essstörungen bei jungen Männern zu
unternehmen?

Ende 2007 haben wir Grünen einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der einen Aspekt des Themas Essstörungen – die Magersucht – aufgreift. In dem Antrag „Hungern in der Überflussgesellschaft – Maßnahmen gegen die Magersucht ergreifen“ (Drs. 16/7458) wird der Schwerpunkt, wegen ihrer deutlich höheren Betroffenheit, auf Mädchen gelegt. Jedoch wird ein geschlechtsspezifisches Herangehen gefordert und viele der Maßnahmen (z.B. bessere Forschung, bessere Ausbildung von ÄrztInnen, Erstellung von Leitlinien zur Behandlung) kommen auch Jungen und Männern zugute. Dieser Antrag führte zu einer bundespolitischen Debatte, die auch von den Medien aufgegriffen wurde.

homosexuelle/heterosexuelle Menschen

8. Was tut Ihre Partei für die Gleichstellung von homosexuellen Menschen mit heterosexuellen Menschen?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten dafür, dass im Gleichheitsartikel des Grundgesetzes endlich ergänzt werden muss, dass niemand wegen der sexuellen Identität diskriminiert werden darf. Die Gleichstellung von homosexuellen Menschen mit heterosexuellen Menschen soll damit ausdrücklich in unserer Verfassung verankert werden.
Wir kämpfen für die volle Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften nach dem Grundsatz „gleiche Rechte, gleiche Pflichten“. Wir haben dazu zahlreiche parlamentarische Initiativen gestartet, vom Adoptionsrecht bis zum Steuerrecht (Bundestagsdrucksachen 16/3423, 16/5596 und 16/11408). Auch in der kommenden Wahlperiode werden wir uns für volle rechtliche Gleichstellung engagieren – im Einkommensteuerrecht, im Erbschaftsteuerrecht, im Beamtenrecht und allen Bereichen, in denen Lebenspartnerschaften noch nicht gleichgestellt sind.
Die Eingetragene Lebenspartnerschaft hat die Akzeptanz für Lesben und Schwulen in der Gesellschaft deutlich verstärkt. Sie ist gesellschaftspolitisch ein großer Erfolg und eine wichtige Etappe auf den Weg zu gleichen Rechten, aber noch nicht das Ziel. Wir wollen die Gleichstellung vollenden. Dass gleichgeschlechtlichen Paaren der Zugang zur Ehe verwehrt ist, stellt eine konkrete wie symbolische Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität dar. Deshalb fordern wir die Öffnung der Ehe für lesbische und schwule Paare und haben dafür auch bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt (Bundestagsdrucksache 16/13596).
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wirksamer ausgestalten, z.B. durch ein echtes Verbandsklagerecht. Überschießende Ausnahmeregelungen im AGG für Religionsgemeinschaften wollen wir eingrenzen. Wir wollen zudem dafür sorgen, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes künftig ihren gesetzlichen Aufgaben gerecht wird und beispielsweise öffentlichkeitswirksam Diskriminierungen entgegentritt und vorbeugt.

finanzielle Ausstattung aller HIV-präventiv arbeitenden Einrichtungen

9. Die finanzielle Ausstattung aller HIV-präventiv arbeitenden Einrichtungen in Deutschland ist schlecht. Möchten Sie dies in der nächsten Legislaturperiode ändern?
Die Grünen haben im Bundestag die Länder und Kommunen aufgefordert, dem Bund zu folgen und ihre Mittel aufzustocken statt, wie es leider zu beobachten ist, Kürzungen für regionale Aidshilfen vorzunehmen. Damit sich Frauen und Männer an der Arbeit z.B. der Aidshilfen beteiligen und Verantwortung übernehmen, sind verlässliche Rahmenbedingungen der Arbeit notwendig. Dafür setzen wir Grünen uns im Bund, den Ländern und Kommunen ein.

homosexuelle Menschen in Jugendarbeit

10. Wieweit setzen Sie sich für die Berücksichtigung der besonderen Lebenslage junger homosexueller Menschen in Jugendarbeit und Jugendhilfe ein?

Voraussetzung für ein gutes und gerechtes Aufwachsen junger Menschen ist ein breites Netzwerk an persönlicher, gesellschaftlicher und staatlicher Unterstützung. Neben den Eltern und der Schule leistet die Jugendhilfe hierzu einen entscheidenden Beitrag. Wir sehen in der Jugendhilfe einen der größten gesellschaftlichen Leistungsträger und setzen uns für eine angemessene Förderung ein. Dabei befürworten wir eine vielfältige und differenzierte Angebotslandschaft, bei der die Belange lesbischer und schwuler Jugendlicher als integraler Bestandteil berücksichtigt werden müssen.
Lesbische, schwule, bisexuelle, trans- oder intersexuelle Jugendliche dürfen bei Problemen nicht allein gelassen werden. Schwul-lesbische Jugendarbeit muss stärker anerkannt und unter Einbeziehung der Jugendlichen weiterentwickelt werden. Jugendhilfe und Jugendarbeit müssen sich dabei besonders dem Problem Homophobie stärker stellen. Jugendhilfeeinrichtungen müssen deshalb durchgehend zur Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Identitäten und Lebensweisen Rechnung beitragen. Jugendhilfe muss somit systematisch befähigt und unterstützt werden, Diskriminierungen entgegenzuwirken und zur freien Entfaltung der Persönlichkeit dieser Jugendlichen beizutragen. Dazu gehören geschützte Erfahrungsräume wie Jugendgruppen ebenso wie die Fortbildung von jungen MultiplikatorInnen für Informationsveranstaltungen in Schulen und Jugendeinrichtungen.

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